Aus den Kreisen vorwiegend ehrenamtlich tätiger Naturschützerinnen und Naturschützer sind zunehmend Meinungen zu hören, in denen die Imkerei als eine Ursache fürs Aussterben der Wildbienen genannt wird. Die Bienenfreunde Minden-Nordholz wollten es genauer wissen und hatten die Biologin und Entomologin Karolina Rupik um einen Vortrag gebeten unter dem Titel „Konkurrenz zwischen Wildbienen und Honigbienen – trägt die Imkerei zum Aussterben der Wildbienen bei?“ Um die Antwort vorweg zu nehmen: Für Europa darf ein großes „NEIN“ und ein kleines „ja“ als Fakt angesehen werden – bei der derzeitigen Studienlage.
Wie Karolina Rupik – sie arbeitet aktiv in der Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen e.V. (Sitz: Bielefeld) mit – deutlich machte, ist aus ihrer Sicht die Studienlage fürs oben genannte Themengebiet eher dürftig als erschöpfend anzusehen. Von 146 weltweit durchgeführten Studien stammen nur 17 aus Europa. Zudem sei zu bemängeln, dass viele Studien nicht umfassend genug durchgeführt wurden. So seien die verwendeten Stichproben eher zu klein gewesen oder die Untersuchungszeiträume zu kurz.
Nichtsdestotrotz gibt es aussagekräftige Ergebnisse. So ist die Honigbiene belegbar in globalen Regionen zu einer Bedrohung für Wildbienenarten geworden, in denen sie zuvor nicht heimisch war – also eingeführt worden ist. Anders in Mitteleuropa, wie von der Referentin zu erfahren war. „Die untersuchten Wildbienenarten waren in ihrer Population unbeeinflusst von Honigbienen.“ Es kann allerdings lokal begrenzte Verdrängungseffekte geben. So weichen Hummeln wohl aus, wenn in der Nähe Bienenstöcke stehen. Eine Studie in diesem Bereich konnte aber keine negativen Effekte belegen. In der Heide festgestellte Verdrängungseffekte zeigen ferner auf, dass Bienenstöcke nicht zur Verringerung von Nestern der wilden Bestäuber geführt haben.
Was dafür spricht, dass es keine artenbedrohende Konkurrenz zwischen Wildbienen und Honigbienen gibt, ist eine relative Genügsamkeit der Wildbienen. Zwar sind sie in den meisten Fällen auf bestimmte Pflanzen spezialisiert, benötigen aber weniger Blüten für ihre Brut. Wildbienen reichen je nach Art zwei bis etwa zwanzig Blüten für eine Brutzelle, um den Nachwuchs ausreichend zu versorgen. Hingegen müssen Honigbienen zigtausend Blüten anfliegen, um den Pollenbedarf für ihre Brut zu decken. Wohl auch ein Grund dafür, dass Honigbienen eher Generalisten sind und vorzugsweise sogenannte Massentrachten anfliegen und dadurch den Wildbienen ihre Nahrungsquellen lassen.
Wie Karolina Rupik in ihrer „vorsichtigen Zusammenfassung“ deutlich machte, wird die Honigbiene vermutlich vor allem dann zu einer Konkurrenz für Wildbienen, wenn das lokale Nahrungsangebot nicht ausreicht. Als Hauptgründe für die Bedrohung von Wildbienenarten sind daher anzusehen, dass es zu wenig blühende Landschaften, zu wenig Trachtpflanzen und eine zu geringe Pflanzenvielfalt für Wildbienen gibt.
Nicht zu vergessen ist dabei – wie fachkundige Zuhörerinnen und Zuhörer ergänzten –, dass es auch eine große Konkurrenz der Wildbienen untereinander gibt. Diese wird noch verstärkt von wohlmeinenden Naturschützern ohne Fachkenntnis, die beispielsweise Mauerbienen aus Süddeutschland erwerben, um sie in Norddeutschland auszusetzen. Es hilft der Natur allerdings gar nicht, wenn Wildbienen in Habitaten ausgesetzt werden, in denen sie sonst nicht vorkommen – dies schadet nur den lokalen Wildbienen. In Deutschland gibt es derzeit noch schätzungsweise 580 Wildbienenarten, die aber nicht alle in jeder Region zu finden sind.